Mitte August war es so weit. Escobar war die letzten Wochen vormittags mit einem 3 ½ jährigen Hengst ein paar Stunden auf der, von dem heißen Sommer, vertrockneten Wiese gewesen. Nachmittags stand er alleine auf seinem Sandpaddock und nachts in einer Gitterbox. Jetzt war Schluss. Er langweilte sich und ich hatte das Gefühl die Zeit war reif für Veränderungen.
Sonntagmorgen um 7 kamen mein Sohn, die Züchterin von Escobar – Katja Neuhaus – und ich in Rheda-Wiedenbrück an, um ihn nach Hause zu holen. Zwei Jahre hatte ich mich auf diesen Tag gefreut – endlich kam er zurück in meine Nähe und meine stundenlangen Sonntagsausflüge über die Autobahn hatten endlich ein Ende.
Escobar war als Saugfohlen ein paar Mal mit seiner Mutter im Anhänger gefahren. Zweimal hatte ich ihn als Jährling ohne Mitteltrennwand, frei stehend, alleine transportiert und zweimal war er mit seinen Freunden bei Vivien Schauren, auch frei stehend, im LKW gefahren. Jetzt sollte er fahren wie ein Großer, mit Mitteltrennwand und angebunden über 2 ½ Stunden -alleine.
Völlig überraschend für mich ging er, nach kurzer Unsicherheit, einfach so in den Anhänger. Über die gesamte Fahrt stand er mucksmäuschenstill und ohne ein einziges nasses Haar zu haben, kam er in seinem neuen Zuhause im Bergischen an. Zugegeben, beim Aussteigen ist in seiner Performance noch Luft nach oben, aber hatten sich meine vielen Sonntagsfahrten gelohnt? Ich glaube ja – Escobar vertraut mir anscheinend und ich bin auch davon überzeugt, dass er Katja Neuhaus wiedererkannte. Sie war es gewesen, die seine ersten 7 Lebensmonate täglich begleitet hatte und auch meinen Sohn hatte er in der Zeit seines Hufbeinbruchs häufiger erlebt. Ich bin davon überzeugt, dass es unseren Pferden bei großen Veränderungen in ihrem Leben hilft, wenn immer wieder bekannte Menschen sie dabei begleiten. Das schafft Sicherheit und Vertrauen.
Eingezogen im neuen Stall
Zugegeben, im neuen Stall hat Escobar etwas dick aufgetragen, aber ich hätte mich auch geschämt, wenn er wie eine Schlaftablette den Stall betreten hätte… .
Das neue Leben beginnt
Innerhalb eines Tages änderte sich Escobar’s Leben komplett. Er stand das erste Mal in einer Spänebox und nicht auf Stroh. Das ist darin begründet, dass dies in vielen Sportställen so gehandhabt wird, um die Pferde kontrolliert füttern zu können. Normalerweise würde ich ein Jungpferd auf Stroh stellen, aber ich bin in dem neuen Stall nur Einsteller und ich finde es nicht tragbar als Pferdebesitzer alles zu bestimmen und zu fordern. Aber nun musste Escobar sich umstellen: dreimal am Tag feste Futterzeiten.
Nach dem Frühstück und das heißt auch: nach dem Auffressen seines Heus (!), brachte ihn sein neuer Pfleger Chris für ein paar Stunden auf die Wiese. Und hier zeigte sich der Vorteil, wenn man mit Profis arbeitet. Alleine das Führen durch die Stallgasse, vorbei an Hengsten, Wallachen und Stuten in ihren offenen Boxen, quer über den Hof, vorbei am Springplatz, vorbei an einem kleinem See mit Wasserfall, vorbei an Graspaddocks auf denen andere Pferde stehen, gestaltete der kleine Schreihals diesen Weg schon spannend. Da meine Praxis es nicht zuließ dies jeden Tag selbst zu machen, war ich total glücklich zu sehen, wie Chris und Escobar diesen Weg zunehmend entspannter zurücklegten. Mittags, zurück in der Box gab es wieder Kraftfutter und Heu.
Gegen 19 Uhr, nach der Abendfütterung, war zumeist Ruhe im Stall. Fast alle Pferde hatten Feierabend. Aber leider kam dann immer ich. Um das alles finanzieren zu können, muss ich nun mal arbeiten. Allerdings hatte ich dann den Putzplatz in der Waschbox auch für mich alleine und Escobar lernte das Einmaleins eines zukünftigen Reitpferdes: in der Box Hufe auskratzen, in der Waschbox angebunden sein, Putzen, Gamaschen, Kappzaum – erst ohne Gebiß, dann mit eingeschnalltem Gebiß, Trense, Satteldecke, Gurt und schließlich in abgegrenzter Halle kontrollierte Kommandos für Schritt, Trab und Galopp. Immer wieder ging ich Abends erst auf der Anlage, später auch im nahen Umfeld auf der Straße mit ihm spazieren. Sein Leben hatte einen neuen Rhythmus – aber das immer wieder kehrende tägliche Einerlei, hilft ihm in seinem neuen Leben anzukommen.