Bereits als kleines Mädchen brachte mich mein Vater ans Pferd. Nur wenige Fotos waren aus dem Krieg übriggeblieben, aber wie sehr liebte ich seine Geschichten über die Pferde auf dem Familiengut Miersch in Brabschütz bei Dresden. Meine ganze Jugendzeit verbrachte ich mit dem Reiten und Fahren von Pferden für andere Leute – weil ich kein eigenes Pferd bekam. „Lerne erst Reiten. Wenn du es dann einigermaßen kannst – kaufe ich dir ein Pferd.“ Wie oft hatte ich diese Worte gehört, wenn ich wieder bettelte ein eigenes Pferd zu bekommen. Ohne Krieg wäre ich in Brabschütz umgeben gewesen von eigenen Pferden.
Zum Abitur war es dann soweit – mein Vater schenkte mir ein Holsteiner Hengstfohlen von Lorenz aus einer Marmor Stute. Während dieses Pferd in den Marschwiesen groß wurde, trat ich meine Lehrzeit in der Deutschen Reitschule in Warendorf an. Die zweineinhalb Jahre, umgeben von damals noch über 200 Hengsten, haben mich geprägt. Weder Stuten, noch Wallache verhalten sich so ehrlich, so direkt und geradeheraus. Hengste möchten immer wissen wer du bist und ob du geeignet bist die Führung zu übernehmen. Aber, wenn du ihr Vertrauen gewonnen hast, ist der Umgang mit ihnen so intensiv. Vielleicht ist es auch diese Erfahrung, die es mir so schwer macht den Hengsten in den Vorauswahlen und auf den Körveranstaltungen in die Augen zu schauen. Alle scheinen ständig verstehen zu wollen, was die Menschen von ihnen erwarten und fast nie bekommen sie von uns eine vernüftige Antwort. Sie werden beim Freilaufen mit Plastik-Flatterpeitschen hin- und hergescheucht. Sie steppen über die Pflaster und bekommen ständig im Maul geruckt, um ein Bein anders zu stellen und nicht einmal hören sie von uns, ob das richtig oder falsch ist. Sie wurden in die Eingänge der Freisprungreihen gescheucht, taten sich weh, erschraken und bekamen Angst. Viele Hengste knirschten in den Schrittringen schon während der Vorauswahlen ohne Unterlass mit den Zähnen. Wie schön war es hingegen bei der Hannoveraner Dressurhengste Hauptkörung, zumindest im Freispringen zu sehen, dass es ganz plötzlich auch anders geht. Noch während der Hannoveraner Vorauswahlen war das Freispringen einfach nicht mit anzusehen. Ein Denkanstoß und plötzlich wurde es erstmalig in Wickrath und dann bei der Hauptkörung so viel schöner gemacht. Mit viel Pferdeverstand und pferdegerecht. (Siehe 07 Hannoveraner Verbandskörung – Licht und Schatten).
Wir müssen Umdenken – und zwar schnell. Das ist der Grund, warum ich dieses Projekt mit Escobar gestartet habe.
Durch meine Pferdewirt Ausbildung (Abschluss mit Stensbeck-Medaille), meine Bereiterzeit am Deutschen Olympischen Komitee im Vielseitigkeitsstall und meinem Tiermedizinstudium, maße ich mir nach über 40 Jahren Pferdeerfahrung und nach 22 Jahren tierärztlicher Pferdepraxiserfahrung an, vieles auch fachlich vernünftig beurteilen zu können.
Es darf nicht unser Ziel sein unsere Warmblutzucht in der öffentlichen Darstellung hinzurichten. Aber alle Verbände, Aufzüchter, Ausbilder und Körkommissionen haben über Jahrzehnte der Entwicklung nur zugeschaut. Durch die neuen „Leitlinien zum Tierschutz im Pferdesport 2020“ ist eine Diskussion ausgelöst worden, die es uns möglich macht jetzt etwas zu verändern und zwar grundlegend. Und dazu gehört auch, die Hengste tatsächlich erst dreijährig zu Körung vorzustellen, oder die Anforderungen der zweineinhalbjährigen drastisch zu reduzieren. Warum kann ein Hengst nicht altersgerecht nur an der Hand und in einem altersgerechten fairen Freispringen „gekört“ werden, so wie es früher war? Eine spätere nachgeschaltete Sattelkörung könnte dann im Winter 3-4 jährig die dauerhafte Aufnahme ins Hengstbuch festlegen?
In der Szene ist so viel Geld unterwegs, an das vorgeschobene Argument: ein späterer Zeitpunkt wäre betriebswirtschaftlich nicht denkbar – glaubt ohnehin keiner mehr.