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16 Manchmal ist das Leben kein Ponyhof …

Normalerweise reite ich junge Pferde an der Longe an und schnell wechsel ich dann dahin, dass der Longenführer nur noch an der langen Leine mitgeht, ich aber versuche selbstständig zu reiten. In dem Springstall, in dem Escobar steht, ist nun zum Winter hin der Innenraum der Reithalle mit Sprüngen vollgestellt. Das Mitgehen mit der Longe ist zu kompliziert und auch zu gefährlich. Und: Escobar ist so brav.. . Also reite ich ohne Longe außen herum. Beim ersten Mal im Schritt ging das auch super. Meine Freundin Judith Stauder vorneweg und Escobar läuft ihr brav hinterher.

Drei Tage später – das erste Mal alleine antraben. Escobar erschrickt sich und startet durch, ich dachte ich habe ihn wieder, gebe die Hände vor und im gleichen Moment gibt er wieder Gas. Meinen Oberkörper hinten, im Zügel hängend, bekomme ich meinen Schwerpunkt nicht wieder nach vorne und Escobar beschleunigt und beschleunigt und … Nun ja in der dritten Runde gebe ich die Idee auf irgendwo in eine Ecke zu kommen, um ihn an der Bande bremsen zu können. Ich machte die Knie auf, lasse ihn unter mir herausgaloppieren und lasse mich nach hinten innen fallen. Auf dem Boden aufgekommen mache ich eine Rückwärtsrolle und keine 10 Meter weiter steht Escobar und drehte sich zu mir um. Sehr unspektakulär, aber saublöd.

Judith nahm mich nach dem Sturz zwar wieder an die Longe, aber ich hatte zum entspannten Antraben doch zu viele Schmerzen. Netterweise setzte sich die Stallbereiterin noch ein paar Runden im Trab an der Longe darauf, so dass wir Escobar mit einem guten Gefühl in den Stall bringen konnten.

Vier Tage später konnte ich mich beim Arbeiten plötzlich vor Schmerzen nicht mehr bewegen. Nichts ging mehr. Nach dem MRT zeigte mir der freundliche Humankollege an seinem Monitor die drei glatten Beckenbrüche, die meine Knochen zierten – so ein Schei… – ich bin wohl keine 20 mehr. Meine Knochen hatten früher irgendwie schlimmere Stunts ausgehalten.

Okay – Escobar hatte erst mal Reitpause, ich habe wieder die Krücken aus dem Keller geholt und die Praxismailbox vermeldete meinen Kunden für die nächsten zwei Wochen meinen Ausfall als Tierärztin. Lieberweise kümmerte sich meine Freundin Judith um Escobar. Das Problem allerdings war die Aussage der netten Orthopädin aus Bergisch Gladbach: 6-8 Wochen nicht Reiten ????

Mitte November durfte Escobar nicht mehr auf seine Weide und er war alles andere als ausgelastet. Ich hatte Schwierigkeiten beim Spazierengehen – mit dem Halbstarken an der Hand und mit meinen Knochen. Also räumten wir zweimal die Woche alle Sprünge beiseite und Judith’s Tochter Larissa Stauder übernahm das Reiten. Dazwischen ließ ich ihn Laufen, longierte, machte Bodenarbeit, oder ich ließ ihn kleine Reihen springen, was ihm mit Abstand am meisten Spaß machte. So viel zum Thema „Dressurhengst“.

Im Dezember fuhr Larissa in den Urlaub und Philipp Tiemeyer übernahm das Reiten. Beide machten das super und ich hatte so viel Glück, diese Beiden zu haben – Vielen, vielen Dank euch Beiden, ihr ward meine Retter !

Mitte Januar saß ich dann das erste Mal wieder selber auf dem Pferd, aber selbstbewusstes, beherztes Reiten eines jungen Pferdes sieht anders aus.

Unendlich dankbar war ich, dass Philipp ihn zweimal die Woche weitergeritten hat und mich unterstütze, wenn ich am Ende seines Reitens nochmal ein paar Runden den „Fremdreiter“ spielte.

Ein Unglück kommt selten alleine …

Philipp macht einen super Job und auch ich komme nach und nach wieder hinter meine alte Reiterei. Aber der Stress im Stall nimmt zu. Plötzlich darf nicht mehr auf dem Springplatz longiert werden, der Stall wird einschließlich Stalldecke und Boxen gekärchert – wohlbemerkt mit Pferden in der Box, mal gibt es zu viel Kraftfutter, mal gar keins, mal Heu, mal nicht. Escobar wird Zusehens dünner. Es läuft schleichend – erst habe ich Magenschmerzen, dann mein Hund und um Karneval fängt Escobar mit dem Zähneknirschen an.

In der Nacht von Rosenmontag schlafe ich nicht, aber nicht weil das „Trömmelchen“ ruft oder weil zu viel Kölsch im Spiel ist, nein ich mache mir Sorgen um Escobar. Dienstagmorgen rufe ich einen alten Kunden von mir an, der einen großen Zuchtstall betreibt und keine Einsteller nimmt.

Nach einer kurzen Erklärung meinerseits, werde ich nie seine Erwiderung vergessen: „Frau Miersch, auf meiner Uhr ist es jetzt 8.50. Ich schlage vor Sie fahren jetzt in den Stall und laden Ihr Pferd auf und ich kümmere mich in der Zeit um Ihre neue Box.“

Um 11 Uhr schaut Escobar in seiner neuen, mit Stroh eingestreuten, riesen Box aus dem Fenster.

Mein Pferd weiß nicht was es zuerst tun soll: Stroh fressen, die volle Heuraufe untersuchen, sich im Stroh wälzen, aus dem Fenster schauen oder den vielen Stuten in dem Zuchtstall zu wiehern.

Er bekommt Heu ad libitum, von mir Omeprazol für den Magen und viel Aufregung in den nächsten Tagen, weil die ersten Stuten gegenüber schon mal anfangen zu rossen – und mein Hengst glaubt als Chefbesamer in dem neuen Stall eingestallt worden zu sein.

Ich fahre jetzt nicht mehr 10 Minuten in den Stall, sondern 35 und eine Mittagspause habe ich von nun an nicht mehr, Philipp ist weit weg, aber den drei Mägen meiner tierischen Familie und mir, bekommt der Wechsel so weit gut.

Es bleibt spannend … da war ja auch noch das Thema Körung und Körungsvorbereitung – der nächste Block: is comming soon …