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17 Skala der Ausbildung – Jungpferde

Die Vorstellung der Hengste bei der Kurz-Veranlagungsprüfung soll laut dem Merkblatt der FN (Deutsche Reiterliche Vereinigung) im Sinne Ausbildungsskala der jungen Pferde erfolgen. Dazu hier die zugehörigen Zitate:

Veranlagungsprüfung (kurz) – Schwerpunkt Dressur:

„Bitte beachten: Teilnahmeberechtigt sind nur 3-jährige Hengste.

Die Vorstellung der Hengste erfolgt altersgerecht unter Anweisung der Bewertungskommission und ist je nach Hengst individuell in Intensität und Umfang und soll den natürlichen und losgelassenen Bewegungsablauf und die Veranlagung hervorheben. Die Hengste müssen alle Tage unter dem eigenen Reiter vorgestellt werden, am letzten Tag wird zudem der Fremdreiter den Hengst hinsichtlich der Rittigkeit testen (siehe HLP-Richtlinien).“

Hengstleistungsprüfungen (HLP-Richtlinien)

Die gestellten Anforderungen sind wie folgt:

Die Hengste werden in den Grundgangarten und in Hinblick auf ihre natürliche Rittigkeit (nicht das „Gerittensein“) auf beiden Händen, sowohl auf geraden und gebogenen Linien, getestet und bewertet. Dabei wird der altersgerechte Ausbildungsstand nach den Kriterien der Ausbildungsskala Takt, Losgelassenheit, Anlehnung, Geraderichtung und Schwung berücksichtigt. Die Vorstellungen erfolgen unter Anweisung der Bewertungskommission und sind je nach Hengst individuell in Intensität und Umfang und sollen den natürlichen und losgelassenen Bewegungsablauf und die Veranlagung des Hengstes hervorheben.“

Skala der Ausbildung

Die Skala mit den 6 Punkten durchzieht die Ausbildung eines Pferdes wie ein roter Faden. Dabei sind die Übergänge fließend und jede Verbesserung des einen Punktes führt zu einer Verbesserung der vorherigen Punkte und dabei laufend zu einer deutlichen Verbesserung der Durchlässigkeit und der Rittgkeit des Pferdes. Dabei ist es wichtig zu wissen, in welcher Stufe sich das Pferd in der Skala seiner Ausbildung befindet. Ein dreijähriges Pferd sollte daher natürlich am Beginn stehen:

  1. Takt: ist das zeitliche und räumliche Gleichmaß in allen Schritten, Tritten und Sprüngen.
  2. Losgelassenheit: beschreibt das zwanglose und unverkrampfte An- und Abspannen der gesamten Muskulatur des Pferdes. Dabei kennzeichnet sich die „innere Losgelassenheit“ des Pferdes in einem taktmäßigen Atmen in allen Schritten, Tritten und Sprüngen, in einem fallengelassenen Hals mit „offenem“ Genick, in einem frei getragenen, pendelnden Schweif und einem entspannten, aber ausmerksamen Gesichtsausdruck, Ohrenspiel und einem entspannt kauenden, geschlossenem Maul.
  3. Anlehnung: ist die weiche-stete Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul, wobei die Anlehnung vom Pferd gesucht und vom Reiter gestattet werden soll.

Wie geht das nun?

Ein junges Pferd braucht Zeit, sich mit seinem eigenen Körper, welcher sich 3 jährig noch im Wachstum befindet, zurechtzufinden. Nun setzt sich ein Reiter auf seinen Rücken und bringt die Balance noch mehr in Gefahr. Das Pferd muss also lernen sich mit dem Reiter auszubalancieren. Das ist schon im Stand und im Schritt schwierig genug und der Schwierigkeitsgrad steigert sich für das junge Pferd mit zunehmender Geschwindigkeit im Trab und im Galopp.

Daher gehen junge Pferde am Anfang kurz, vielleicht auch untaktmäßig und festgehalten im Rücken, besonders wenn auch noch äußere Reize zu mehr innerer Aufregung des Pferdes beitragen. Sehr gut zu sehen an Escobar in der Reithalle bei der Familie Osterhammel vor unserem ersten Ausritt. Das Pferd muss sich finden, seinen Takt und seine innere Losgelassenheit finden. Wenn wir also die Ausbildungsskale betrachten, kann das Pferd noch keine stete Anlehnung suchen, weil es noch mit dem Takt und der Losgelassenheit ausreichend beschäftigt ist.

Der lange Hals des Pferdes bildet in dieser Such- und Findungsphase die „Balancierstange“ des Pferdes. Ein verkrampftes Pferd geht entweder über dem Zügel, oder wie Escobar und viele junge Pferde mit einem leichten Genick, schnell zu eng im Hals. Erst wenn die Pferde zur inneren und äußeren Losgelassenheit kommen, fällt es ihnen leichter das Genick zu öffnen und den Hals auch zum Ausbalancieren unter dem Reiter zu nutzen. Wenn der Reiter dies zulässt, hebt ein junges Pferd sich auch immer mal wieder nach oben heraus. Dies zeigt an, dass das Pferd Probleme mit dem Takt und der Losgelassenheit hat – häufig ist der Grund auch Ermüdung. Ein gleichmäßiger Bewegungsablauf von hinten nach vorne, über den Rücken mit dem Reitergewicht kostet Kraft und die Balancearbeit erfordert von dem jungen Pferd ganz viel Konzentrationsarbeit. Zudem soll das Pferd nun auch noch verstehen was die vielen „Hilfen“ – also für das Pferd noch völlig sinnfreier Input von Zügeln, Beinen, Gewicht und Stimme des Reiters auf seinem Rücken bedeuten soll.

Deswegen liebe ich die Aussage von Willfried Gehrmann, der in dieser Phase immer von „Vertrauensaufbau“ spricht. Wie viel Vertrauen muss uns ein Pferd entgegenbringen, dass es dies alles mitmacht – in der Halle, draußen auf dem Reitplatz, im Gelände, in wechselnden Umgebungen und dann auch noch als Hengst. Pferde riechen um ein 10faches besser als wir und hören in Frequenzen, die uns verborgen bleiben.

Unabhängig, ob wir von einem jungen Pferd in seiner „Balance-Findungsphase“ reden, oder von einem älteren Pferd innerhalb einer Reiteinheit:

Man beginnt im Schritt – die Bewegungen sind langsam, der Reiter sitzt im Oberkörper am stabilsten und das Pferd ist aufmerksamer und damit auch aufnahmefähiger.

Man arbeitet im Trab – der Bewegungsablauf ist symmetrisch und das Pferd kann sich über die diagonale Fußung auf gerader und auf großen gebogenen Linien leichter mit dem Hals ausbalancieren, sofern der Reiter dies mit der Hand zulässt. Findet das Pferd seine Balance, fällt ihm ist das rhythmische Atmen im Takt des Trabes leicht und es beginnt sich zu entspannen, wobei ein gleichmäßiges An- und Abspannen der Skelettmuskulatur beginnt. Ziel ist die innere und äußere Losgelassenheit, die dann erst in eine gleichmäßige Anlehnung münden kann.

Man festigt im Galopp –  Der Galopp, mit seinem Dreitakt und seinen Einbeinstützen – mal hinten, mal vorne, ist die „sportlichste“ Gangart und ein „Balanceakt“ für das Pferd. Zudem kann ein Pferd nur in dem Moment der Schwebephase einatmen und beim Auffußen der Vorderbeine ausatmen. Deshalb muss auf den Galopp hingearbeitet werden. In dem Moment, indem es dem jungen Pferd gelingt diese Balance zu halten, den Oberkörper des Reiters dabei mit auszubalancieren und auch noch passend zu atmen, ist das als ein großer Erfolg zu werten.

Da wir also hier bei der Sattelkörung und Kurz Veranlagungsprüfung von dreijährigen Pferden sprechen, die gerade erst am Anfang ihrer reiterlichen Ausbildung stehen, bin ich gespannt wie die Kommission in Münster Handorf die Hengste tatsächlich beurteilt. Punkte wie Geraderichtung und Schub stehen hier also nicht zur Disposition.

Trotzdem muss ein junges Pferd „vorwärts“ gehen. Man sagt auch das Pferd soll „ziehen“. Wenn ein junges Pferd die Grundbegriffe der reiterlichen Hilfen verstanden hat und immer öfter ein Gefühl für die eigene Balance unter dem Reiter auf seinem Rücken bekommen hat, muss es lernen frisch nach vorne zu gehen. Dieser Ausbildungssprung fällt vielen jungen Pferden am Schwersten; war doch zuvor das Ziel des Reiters, dass sich das Pferd ruhig und taktmäßig unter ihm ausbalanciert. Zudem möchte man gerne auf einem jungen Pferd auch die Kontrolle behalten, schon zum Zwecke der eigenen Sicherheit. Bei Escobar haben wir Julia Lenz gebeten mit uns zusammen zu reiten. Ihr 10 jähriger Warmblüter Florenzius ist perfekt als Lehrpferd. Dressurmäßig weit ausgebildet, hilft er Escobar die Welt der Grundgangarten auf dem Platz im Vorwärtsgang zu erobern und da Julia ihn viel im Gelände trainiert, ist er für Escobar das sicherste Lehrpferd außerhalb der Reitplatzbegrenzung überhaupt. Zudem hat Escobar viel Spaß, wenn der große Freund kommt. Vielen Dank an Julia und an ihren tollen Florenzius für die Unterstützung.

Wie wird das bei der Körung in Münster/ Handorf laufen?

Werden die Pferde wirklich korrekt nach der Ausbildungsskala in ihrer Veranlagung beurteilt, oder werden wieder die verkrampften, festgehaltenen, mit Schwebetritten sich bewegenden Hengste besser beurteilt werden?

Nur so zum Verständnis:

Anne hat vor zwei Wochen zwei Fotos von Escobar gemacht, die für mich zur Skala der Ausbildung  eines 3jährigen Pferdes passen – das linke sogar von der Halshaltung noch mehr, als das rechte. Aber will das die Körkommission sehen?

Philipp und ich sind uns einig, dass wir Escobar nur im Rahmen seiner Möglichkeiten und damit die, die eines 3 jährigen Pferdes im Sinne der Skala der Ausbildung  entspricht, vorstellen wollen.

Aber vielleicht wird Escobar auch so aufgedreht sein, dass alles nur graue Theorie ist. Wir werden sehen, was Ende April in Münster Handorf geschieht . . . .