Mit der, nennen wir es mal „scheinbaren“ – Körungsveranstaltung in Münster/ Handorf im April 2023 (s. Block 18) und seiner anschließenden Kastration, war Escobar‘s Job in meinem journalistischen „Hengst“ – Projekt beendet.
Gut und was jetzt?
Ein Sommer mit Chillen, viel Weide und herrlichem Nixtun liegt hinter meinem 3 jährigen Pferd. Allerdings mit 3 Jahren in Rente zu gehen, nur weil das Jobprofil gekörter Hengst weggefallen ist, ist auch keine Option.
Ich hatte ein Fohlen mit einem sogenanntem „dressurbetonten Pedigree“ gekauft. Allerdings wusste ich auch, dass die Gene von Contender, Heraldikxx und Havard durch sein Abstammungspapier geistern.
Also starteten wir im Oktober/ November’23 nochmal von vorn: Dressurausbildung, Geländeausritte, erste bunte Sprünge und schließlich am Ende seines ersten Reitpferdejahres auch Geländehindernisse – schaun wir mal wohin das führt.
Los geht’s …
Dressurpferd
Anfang Juni trauten wir uns in die erste Dressurpferde A in Köln Müngersdorf. Auch wenn Escobar dem Lautsprecher bei M am Viereck nicht traute, war der Tag einer meiner schönsten Erlebnisse. Vielen Zuschauer schien es auch gefallen zu haben, denn sie applaudierten bei der Schlussaufstellung, obwohl wir die Ecke bei M ausgelassen hatten und das Viereck ohne Wertnote verließen. Wer braucht schon Ruhm und Ehre, wenn das Ganze so irre viel Spaß macht?
Springpferd
Immer wieder Dienstags, mal regelmäßig, mal mit ein paar Wochen Pause, half uns Bernd Flücken weiter beim Springen mit den bunten Stangen und Mitte des Sommers bekamen Escobar und ich richtig Spaß daran – ich glaube bei uns im Stall haben wir den einen oder anderen Menschen verwirrt.
Irgendwie ist es in englischen Reitställen wie bei der Körung: Dressur Hengste, oder Spring Hengste, wenn man so herumschwirrt und dazu noch ständig mit gelber Reitplakete in den Wald reitet, kann das zu Verwirrung führen. Als ich ein Kind war, war das noch normal gewesen.
Dressurpferd
Anfang August startete ich Escobar noch einmal auf dem Annaberger Hof in einer Dressurpferde A. Diesmal zu zweit geritten, war mein Ziel das gesamte Viereck zu nutzen und vielleicht in der Aufgabe etwas mehr zum Reiten kommen zu können. Um es vorweg zu nehmen: Escobar war ein riesen Schatz. Vom frühen Füttern um 6 Uhr morgens, dem Einflechten bis hin zu Matsch und Pfützen auf der Anlage nach dem Starkregen vom Vortag– er hat alles großartig gemacht.
Wir kamen mit einer 6,2 aus der Prüfung, was vollkommen in Ordnung war. Er war nicht durchgängig sicher in der Anlehnung, in der Durchlässigkeit und natürlich kann und soll er noch nicht vollständig ausbalanciert daherkommen – er ist vier Jahre alt. Er soll einfach nur Turnierluft schnuppern.
Was mich aber nachdenklich gemacht hat, liebe Richter: Warum werden diese Prüfungen für 4-6 jährige Pferde ausgeschrieben? Beurteilt werden soll, ob sich das jeweilige Pferd ausbildungstechnisch und altersgemäß auf dem richtigen Weg befindet und ob es genug Potential für ein Dressurpferd mitbringt. Escobar war der einzige 4 jährige unter fast ausschließlich 6 jährigen Pferden. Mein Pferd bewegte sich ständig mit hellwachem Gesichtsausdruck, mit Ohrenspiel und geschlossenem Maul – immer eher vor der Senkrechten, als zu eng. Gewonnen und plaziert wurden überwiegend 6 jährige Pferd mit zu engem Hals, mit Spanntritten und teilweise durchgängig offenem Maul.
Ehrlich gesagt: So möchte ich mit meinem Pferd nicht gewinnen, oder plaziert werden. Dann reite ich lieber weiter nur zum Spaß Turnier und fahre zufrieden wieder nach Hause.
In der Dressurpferde A heißt es: Tritte und Sprünge verlängern – Nicht Mitteltrab und Mittelgalopp. In Escobars Protokoll stand im Trab „wird flach“ und im Galopp stand zudem noch: „flach, mit wenig Durchsprung“. Ja ein 4jähriges Pferd kann, oder sollte zumindest ausbildungstechnisch noch nicht in der Balance die Schubkraft nach aufwärts entwickeln, deswegen heißt es auch Tritte/ Sprünge verlängern. Wenn man die Bilder von Escobar im Zulegen im Galopp sieht, mehr Durchsprung geht nun wirklich nicht. Aber auch hier kann ein 4 jähriger noch nicht voll in der Balance nach Vorwärts-aufwärts springen. Zumindest, wenn die Pferde korrekt laut Ausbildungsskala der FN ausgebildet werden sollen und nicht an Verkauf und Show gedacht werden soll.
Jeder Richter erhält in einer Spring- und Dressurpferde Prüfung in der Starterliste auch das Alter des Pferdes mitgeliefert und das ist genau darin begründet – es soll die altersgemäße Ausbildung und das Potenzial des Pferdes beurteilt werden. Das würde bedeuten, dass ein 4 jähriges Pferd anders beurteilt werden müsste, als ein 6 jähriges und dass auch dementsprechend im Protokoll unterschiedliche Formulierungen zum Tragen kommen müssten.
Aber das nur meine allgemeinen Überlegungen – unabhängig von Escobar‘s Auftritt.
Ich jedenfalls war glücklich und wieder einmal stolz auf mein persönliches Traumpferd.
Dieser Sommer ist mit seinen Wetterkapriolen nicht immer einfach für die Pferde. Escobar geht morgens und abends auf die Weide und jeden Mittag von 13-15 Uhr habe ich in meinem Terminkalender ein Date mit meinem eigenen Pferd – meine Stammkunden in meiner Praxis wissen das inzwischen schon. Und jeden Tag, wenn ich vom Hof fahre, freue ich mich schon wieder auf den nächsten Tag. Am schwersten fallen mir die zwei Tage Nicht reiten in der Woche, weil Escobar zu reiten mir so viel Spaß macht.
Geländepferd
An den Reit- Tagen gehen wir nach wie vor meistens ins Gelände, ob in der Stallumgebung des Naafbachtals, oder wir fahren die wenigen Minuten mit dem Anhänger in die Wahner Heide, zum Heckberg oder in den Lohmarer Wald.
Vielseitigkeitspferd
Und manchmal fahren wir nun neuerdings auch nach Königswinter. Siegfried Blum und sein Quad begleiten uns bei unseren ersten Geländesprüngen.
Lieberweise hat Siegfried letzte Woche sein Handy genommen und ein paar Sprünge gefilmt, die im folgenden Video zu sehen sind.
Meine letzten Geländesprünge sind über 35 Jahre her. Ich bin inzwischen 56 Jahre alt. Und ich gebe es zu, manchmal bekomme ich Angst vor meiner eigenen Courage. Dass ich Dressurpferde ausbilden kann, weiß ich, aber schaffe ich es auch einem jungen Pferd das Parcourspringen und die immensen Anforderungen im Gelände beizubringen? Bin ich taff genug Escobar das Selbstvertrauen zu vermitteln, dass wir das schaffen können? Ohne Bernd Flücken und Siegfried Blum sicher nicht. Deswegen habe ich Siegfrieds Kommentare über den Ceecoach in dem Video gelassen – dank dir Siegfried, ohne dich never.
Escobar wusste jetzt beim zweiten Mal allerdings schon was wir machen werden und sein Ehrgeiz und seine Power waren für mich nicht immer ganz einfach zu regulieren. Aber am Ende kehrte er sehr zufrieden mit sich und der Welt zu seinem Anhänger zurück.
Vielleicht reiten wir doch noch mal „Busch“?
Gebrauchspferd?
Manche, die mich gut kennen wissen das. Das höchste Prädikat, welches ein Pferd von mir erhalten kann, ist der Titel eines Gebrauchspferdes.
Also ein Pferd, was man einfach „gebrauchen“ kann. Ein Pferd, das gelernt hat sich in unser menschlichen Welt gut/ korrekt zu verhalten – im Stall, beim Putzen, beim Schmied, beim Tierarzt, beim Verladen. Ein Pferd, das ich jederzeit alleine, oder mit anderen Pferden ins Gelände reiten kann, ein Pferd, das dressurmäßig gelernt hat sich dem Reiter anzubieten, das über bunte Stangen springt und auch nicht im Gelände vor einem Graben, einem Baumstamm, oder einer Wasserfurt die Nerven verliert. Ein Pferd, welches sich auch mit anderen Pferden auf der Weide verträgt und vor allem ein Pferd, welches mich mit glänzenden Augen und gespitzten Ohren jeden Tag aufs Neue fragt: „Und, was machen wir heute?“
Das ist für mich ein Gebrauchspferd.
Das erfordert aber auch von mir als Mensch viel Gespür, Liebe und Zeit die Bedürfnisse des Pferdes zu beachten. Das Reiten ist unser Hobby, nicht das des Pferdes. Aber sie tun das mit ihrem großen Herzen für uns. Vorausgesetzt sie dürfen dabei auch Pferd bleiben und ihr Pferdeleben, mit Weide und Sozialpartnern, bei all der Ausbildung, auch genießen. Diesen Respekt sind wir ihnen einfach schuldig und ohne wird es langfristig ohnehin nicht funktionieren.
Während der Zeit, in den letzten Wochen in denen ich zumeist abends alleine im Stall saß und diesen Text und die Videos zusammengebastelt habe, war Escobar immer mit seinem Freund Cro oder Malik auf der Weide.
Wie beendet man so einen Text eigentlich? Ich stehe doch genau genommen noch ganz am Anfang von Escobars Ausbildung und es ging auch nur um das erste Jahr.
Plötzlich kommt mir eine Idee:
Schon seit langem geplant, fahren Escobar und ich Anfang September für zwei Wochen nach Cuxhaven. Man könnte es als unsere Abschlussfahrt am Ende des ersten Ausbildungs –Reitpferdejahres sehen. Das gibt es so auch in Berufsschulen, seine Umschulung läuft … .
Anschließend nehmen wir dann das zweite Ausbildungsjahr von Escobar in Angriff – er wird im kommenden April schon 5 Jahre alt, Himmel wie die Zeit vergeht.