Als Escobar im Februar anfing hormonell aufzudrehen, habe ich mir genau diese Frage gestellt.
Es war immer mein Traum gewesen ein Hengstfohlen aufzuziehen, ihn auch als Hengst zu behalten und zu reiten – unabhängig davon ob er gekört wird, oder nicht. Aber ist das dem Pferd gegenüber fair? Wenn man heutzutage, ohne einen eigenen Pferdebetrieb zu führen, einen Warmbluthengst halten und nutzen will, ist das mit viel Aufwand und Kosten verbunden. Es bleibt über viele Jahre immer die Frage, ob man den Hengst so ausgebildet bekommt, dass er den Ansprüchen eines umgänglichen, rittigen, braven Pferdes, trotz seiner Hormone, gerecht wird. Man muss ihn so ausgebildet bekommen, dass er vor allem nicht gefährlich wird und am Ende Mensch und Tier in seinem Umfeld in Gefahr bringt. Vor allem muss man sich darüber im Klaren sein, wenn es erst einmal schief läuft, bringt in der Regel auch eine späte Kastration nicht mehr den gewünschten Erfolg – das Pferd bleibt oft gefährlich.
Aber ist das auch dem Pferd gegenüber fair? Kann man in unseren heutigen Warmblutställen einen Hengst überhaupt pferdegerecht halten? Wird ein Wallach nicht viel glücklicher sein, mit der Gruppe auf die Wiese gehen zu dürfen, und kann nicht jeder Pfleger in den Pensionsställen gefahrloser mit einem Wallach umgehen?
Die Entscheidung
Es ist also eine große Verantwortung, die man mit der Entscheidung einen Hengst nicht zu kastrieren übernimmt. Eine Verantwortung, die man für sich, für das Pferd und für dessen künftiges Umfeld übernimmt. Wiegt der eigene Traum die Verantwortung für diese weitreichende Entscheidung auf?
In meiner Jugend in Schleswig-Holstein war und ist es teilweise noch heute nicht so ungewöhnlich Reithengste im Springsport einzusetzen. Der Umgang im Landgestüt mit den Hengsten war für mich normaler Alltag. Und auch als Bereiterin im Vielseitigkeitsstall am DOKR hatte ich zwei vierjährige Trakehner Hengste im Beritt, die nicht gekört waren und mit mir ihre ersten Geländepferdeprüfungen gingen. Nie habe ich mir also darüber Gedanken gemacht – ein Hengst ist auch nur ein Pferd, das war immer meine Überzeugung.
Früher hatten wir in den Pensionsställen aber auch anständige Holzzäune auf den Wiesen. Wir hatten Stallbetreiber in den Reitställen, die noch mit Pferden groß geworden sind und Personal in den Ställen die viel Pferdeerfahrung mitbrachten. Und nicht zu Letzt wollten die Pferdebesitzer, die ihre Pferde in den Reitställen einstellten, diese auch nutzen im Sinne von Reiten und ließen sich nicht so schnell von einem wiehernden, ein wenig energiegeladenem Jungpferd in der Reithalle ins Bockshorn jagen. Diese Zeiten sind zumindest in den Reitställen im Bergischen Land vorbei.
Escobar
Ich habe lange überlegt und ich bin selbstbewusst genug, auch vor dem Hintergrund dieses Escobar-Blocks, meine Entscheidung zu fällen. Trotzdem war ich dankbar von Vivien Schauren und vielen meiner guten Freunde die Rückendeckung zu bekommen. „Escobar ist zu schön, um ihn jetzt zu kastrieren“ und „Wenn nicht du, wer dann?“
Auch für den Stallbetreiber, in dessen Stall Escobar im Herbst, im Bergischen Land einziehen wird, sind Hengste auch nur Pferde – also wird er vorerst nicht kastriert. Die Entscheidung ist gefallen.
Vorauswahl zur Körung?
Ich habe immer gesagt, wenn Escobar gesund bleibt und sich auch so entwickelt, dass es für mich Sinn macht, wenn er seine Gene weitergeben kann, dann werde ich ihn auch zur Körauswahl vorstellen. Sein Pedigree ist spannend genug, nun muss Escobar zeigen, ob seine Gene auch phänotypisch für eine Körung ausreichen.
Ich habe mit mir gerungen, ob ich das Video von Escobar online stellen soll. Zu sehr sind wir alle geprägt von professionell hergestellten Verkaufs- und Vermarktungsvideos, von Pferden die getrimmt sind, sich unter Spannung spektakulär zu bewegen.
Aber auf dieser Seite geht es um „pferdegerecht“.
In dem Video zeigt sich ein Junghengst, wie er ist: 24 Monate alt, deutlich im Wachstum, überbaut, vollkommen untrainiert und der sich völlig frei in der Halle ohne Druck bewegt. Daher muss man diesen Junghengst auch Pferde-gerecht beurteilen; unabhängig davon wie viele Show- und Verkaufsvideos das Internet täglich überfluten.
Sein Bewegungsablauf ist immer locker, er schiebt seine Sprunggelenke in Richtung seines Schwerpunktes und er ist ohne Training schon so ausbalanciert, dass ich mich darauf freue wie er sich im nächsten Jahr wohl von oben anfühlen wird. Noch ist er deutlich überbaut, aber das wird sich hoffentlich in den nächsten Monaten geben, also bleibt der Plan ihn zur Körung vorzubereiten auch vorerst bestehen. Und auch den Weg dorthin werde ich weiterhin genauso auf dieser Seite darstellen, unabhängig davon was „man“ so macht, sondern immer im Sinne dessen, was ich glaube, was im Sinne meines Pferdes das Richtige für ihn ist. Ich hoffe ich werde diese klare Linie im Nachhinein nicht bereuen.
Nachdem mein erstes Pferd das „professionelle Barren“ eines damaligen Bundes- und Honorartrainers für die Springpferde in der Bundeswehrsportschule in Warendorf nicht überlebt hat, habe ich mir geschworen, nie wieder ein Pferd in fremde Hände zu geben. Deswegen werde ich mit Hilfe meines Sohnes das Thema Vorbereitung zur Vorauswahl für die Körung selbst in die Hand nehmen.