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20 Fazit Projekt Escobar Teil II Ausbildung der Warmbluthengste für Körveranstaltungen

Und was macht Escobar? (Klick hier)

Liest man in der “Anleitung zur Ausbildung der Kavallerie- Remonten“ von Freiherr von Krane (1879) nach, so erfährt man, dass die Kavallerieschule Hannover ihre Pferde 4 ½ jährig roh, also unausgebildet angekauft hat. Zu diesem Zeitpunkt galten die Pferde als junge Remonten. Im ersten Ausbildungsjahr wurden diese Pferde im Umgang mit dem Menschen, mit den Ausrüstungsgegenständen vertraut gemacht und in Gruppen, zur Findung der Balance unter dem Reiter, nur ins Gelände geritten. Im zweiten Ausbildungsjahr, nun also 5 ½ jährig, galten die Pferde als Remonten und wurden zunehmend an die Arbeit unter dem Reiter in der Dressur-, Spring- und Geländeausbildung herangeführt. Herangeführt deswegen, weil es sich um Zitat: “…junge, unausbalancierte Pferde handelt, die Zeit benötigen um physisch und psychisch zu reifen.“

 6 und 7 jährig wurde die Ausbildung intensiviert und erst 8/9 jährig galten diese Pferde als weitgehend ausgebildete Kavalleriepferde, die dann nicht selten im Krieg auf dem Schlachtfeld endeten.

Ich will diese Zeit nicht beschönigen. Die damalige Zucht entwickelte sich aus Arbeitspferden, die noch sehr gerade im Rücken, mit kurzem Fesselstand eher stämmig, oder blütig mit tief angesetztem Hals daher kamen. Auf jeden Fall aber verkörperten diese Pferde nicht gerade das Idealbild eines heutigen Sportpferdes. Heute züchten wir Warmblüter, die eher zu weich gefesselt sind, die einen längeren schwingenden Rücken und ein leichtes Genick mitbringen. Pferde also, die sich im gut ausgebildeten, korrekt bemuskelten Zustand dem Reiter anbieten und Spaß machen sollen. Glauben wir ernsthaft, dass diese Pferde schneller in ihrer Ausbildung sind, als die damaligen Kavalleriepferde?

Projekt Escobar

Als ich Escobar kaufte und dieses Projekt begann, beschäftigten mich vor allem zwei Fragen:

  1. Kann man einen Hengst pferde- und artgerecht aufziehen?
  2. Kann man einen Hengst, nach den heutigen Vorgaben, einigermaßen pferdegerecht zur Körung vorbereiten und vorstellen?

In den letzten drei Jahren, in denen Escobar aufwuchs, hat sich im Körsystem der deutschen Warmblutzucht einiges verändert. Somit wurde dieses Projekt umfangreicher, als ich zunächst angenommen hatte. [www.escobar-Hengst.de siehe Block 06– Dt. Warmblutzucht ein Paragraphendschungel/ Block 19 Fazit Teil I – QM Warmblutkörung]

Von vorneherein wollte ich Escobar immer für mich als Reitpferd behalten, unabhängig davon, ob er gekört würde, oder nicht. Über dem ganzen Projekt stand das vorrangige Ziel meinem Pferd in diesem Projekt so wenig wie möglich psychischen und physischen Schaden zuzufügen. Ich wollte herausbekommen, ob diese beiden Fragen mit Ja oder Nein zu beantworten sind.

Frage eins kann ich mit Ja beantworten, aber es ist sehr aufwendig und erfordert finanzielle und geistige Flexibilität aller Beteiligten, wenn man es wirklich gut machen will. [Siehe www.escobar-Hengst.de Block 03, 09 und Block 13]

Nun zu der Antwort von Frage zwei.

Auswahl der jungen Hengste

Die von Aufzüchtern ausgewählten „Köranwärter“ werden in der Regel im Mai/ Juni knapp 2 jährig reingeholt, wenn sie überhaupt noch aus den Winterlaufställen heraus in ihre 2. Weidesaison gestartet sind. Dann wird geröntgt. Hier findet die erste Selektion statt. Sogenannte „Chips“ (Osteochondrosis dissecans) entstehen innerhalb der ersten 1 ½ -2 Jahre des Pferdes, während die Knochenentwicklung (Ossifikation) noch in vollem Gang ist.

Die potentiellen Köranwärter werden in den großen Betrieben bei OCD Befunden nun in die Klinik gefahren und operiert.

Als ich Escobar im Juni‘ 22 immer noch nicht geröntgt hatte, wurde ich von entsprechenden „Fachleuten“ verwundert gefragt, wie ich das zeitlich noch hinbekommen wollte. Ich habe damals gelacht und geantwortet, wenn er zu viele Befunde und/ oder OCD’s hat, geht er nicht zur Körung, weil er dann dort als zukünftiger Vererber auch nichts verloren hat. [siehe www.escobar-Hengst.de Block 04 – OCD Bildung/ Aufzucht und Vererbung]

Die beiden folgenden Röntgenbilder der Sprunggelenke sind von einem 1 jährigen Warmbluthengst, geboren: im März 2022   geröntgt: Ende Juni 2023

Man erkennt eine vermutlich gerade begonnene  OCD-Bildung in beiden Tarsalgelenken (Sprunggelenken). Im nächsten Jahr (2 jährig) könnten diese operiert werden. Deutlich erkennbar bei diesem Jährling noch die Epiphysenfugen oberhalb der Sprunggelenke am Oberschenkelknochen.

Sprunggelenke mit OCD-Anbildung Jährlingshengst
Aber zurück zu den potentiellen 2 jährigen Köranwärtern.

Abgesehen davon, dass ein Klinikaufenthalt und eine Vollnarkose bei fast allen erwachsenen Pferden in hohem Umfang zur Bildung von Magenulcera führt, führen wir uns mal den Stress dieser 2 jährigen Hengste vor Augen.

Post operationem kehren diese Pferde nun in den Ausbildungsstall zurück und werden nun mit einigen Wochen Boxenruhe einschließlich Verbandswechsel und Wundversorgung belohnt.

In genau dieser Phase laufen die Ossifikationsvorgänge und die pubertäre Hormonumstellung der Junghengste auf Hochtouren. Normalerweise würden die Junghengste in dieser Altersphase rennen, toben, sich mit spielerischen Scheinkämpfen beschäftigen und Sozialisierungsabläufe bezüglich des korrekten Herdenverhaltens lernen.

Der Ernst beginnt

Nun endlich darf der Junghengst aus der Box und das erste was er nun lernen darf, ist das brave Laufen in der Führmaschine, natürlich mit Strom abgegrenzt von seinen anderen Kollegen, sonst wäre in der Führmaschine die Hölle los. Immer schön im Kreis.

Um bis in die Maschine zu kommen, muss er sich auch im Umgang mit dem Menschen benehmen lernen. Kein ungefährliches Unterfangen für Mensch, wie Pferd.

Gleichzeitig kommen Ausrüstungsgegenstände dazu, wie Gamaschen, Hufglocken, Longiergurt, Ausbinder, Longe, Peitsche. Ab jetzt wird Longiert, Freigesprungen und das Traben auf dem Pflaster geübt. Zahnbehandlung inklusive Wolfszahnextraktionen, der erste Beschlag und Anbinden, Putzen, Scheren geschieht parallel.

In den Nachbarboxen stehen die jungen Kollegen, bei denen die Nerven ebenso blank liegen. Der schönste Moment des Tages ist immer dann, wenn es Kraftfutter gibt, weil davon gibt es reichlich, die Zeit drängt um in 8-10 Wochen aus dem jungen, unbemuskelten 2 jährigen einen Körkandidaten zu machen, der das Erscheinungsbild eines 5 jährigen hat.

Zusätzlich hilft die Pharma- und Futtermittelindustrie mit Präparaten zum Muskelaufbau, und zum hormonellen Hochpuschen, bei den zu jung wirkenden und das Gegenteil bei denen die die Nerven vollendens verlieren. [Siehe www.escobar-Hengst.de Block 11- Doping bei Körungen]

Und unter all diesen Einflüssen laufen gerade alle wichtigen Regulationen im Knochenwachstum, im Stoffwechsel, in der körperlichen Entwicklung und in der psychischen Selbstfindungsphase des jungen Pferdes ab.

Vorauswahlen zu den Hauptkörungen

Da die überwiegenden Verbände keinen Unterschied mehr machen, welche Abstammung der Hengst hat und die Zuchtbücher ohnehin kaum noch eine Differenzierung aufweisen, werden die Hengste dort vorgestellt, wo die größten Chancen bestehen mit einem Körsiegel die Veranstaltung zu verlassen. Was bedeutet noch der Begriff „Zuchtprogramm“ bei den unterschiedlichen Verbänden? [Siehe www.escobar-Hengst.de Block 10 – Genetik in der Warmblutzucht]

Screenshot Internetseite des Hannoveraner Verbandes

Vergößert: „Neu: Öffnung der Körung für Hengste aller für das Zuchtprogramm Hannoveraner zugelassenen Rassen“

Somit ergibt sich ein Körkalender für die dressurbetonten Hengste beginnend im:

November – Hannoveraner/ Verden

Dezember – Westfalen/Münster und Mecklenburger/ Redefin

Januar      –    Oldenburger /Vechta  und DSP/ München

bis hin zum April DSP/Luhmühlen und Juni DSP/Grevenbroich

Das wirkt jetzt zeitlich vielleicht machbar, vergessen wird dabei, dass alle gesetzlich vorgeschriebenen Vorauswahlen für die Hauptkörung nach wie vor deutlich früher stattfinden:  

Mecklenburger 4. und 12. Oktober 22

Hannoveraner 1.-6.Oktober 22

Westfalen 16.-20. Oktober 22

Oldenburger 5.-9.Oktober 22

DSP 6.-7. Dezember 22

Wie geht es nun weiter im Zeitplan der 2 jährigen Körkandidaten?

Als nächstes stehen nun wieder Kliniktermine an. Jetzt werden die offiziellen Röntgenbilder für die Körungen erstellt, diese dürfen nicht vor Anfang August bzw. September je nach Verband erstellt worden sein. Haben die Chirurgen in Holland/ Belgien oder wo auch immer gut gearbeitet, sieht man den arthroskopisch operierten Gelenken die OCD-Eingriffe nicht mehr an. Rasiert wurde ohnehin nur auf einem Minimum der Op-Fläche und die zwei/drei Zugänge für Arthroskop und Lichtquelle sollten kaum noch fühlbar sein, oder werden geflissentlich übersehen…

Zudem werden klinische Köruntersuchungen durchgeführt. Für diese Untersuchungen sind je nach Verband nur bestimmte Kliniken/ Fachtierärzte zugelassen. Diese sind wirtschaftlich hochgradig abhängig von den jeweiligen Verbänden, aber auch von den immer wieder gleichen Hengstausstellern.

Haben Sie noch mitgerechnet in wie vielen Wochen die jungen Hengste ihr oben beschriebenes Pensum durchlaufen haben? Je nachdem sind es bis jetzt  – angefangen bei einem vollständig rohem 2 jährigen – 3- 5 Monate (also 12-20 Wochen), bis sie bei ihrem ersten Vorauswahltermin oder sogar schon bei der Hauptkörung erscheinen, inklusive ggf. Operation, Ausbildung und Muskelaufbau. Haben Sie schon einmal Jungpferde von der Wiese hereingeholt und ausgebildet? Ich habe es versucht – es geht nicht annähernd pferdegerecht, auch ohne Operation. [siehe www.escobar-Hengst.de Block 15 – der Countdown beginnt genau jetzt…]

Die Leitlinien des Bundes

In den „Leitlinien zum Tierschutz im Pferdesport  (12.10.2020)“ wird der früheste Zeitpunkt des Beginns einer zielgerichteten Ausbildung zum vorgesehenen Nutzungszweck für Pferde auf 30 Lebensmonate festgesetzt. Das würde bedeuten ein im Mai 2021 geborenes Hengstfohlen, sollte erst im November 2023 mit 2 ½ Jahren das Training aufnehmen. [Siehe auch Block 06 – Deutsche Warmblutzucht ein Paragraphendschungel?]

Zu diesem Zeitpunkt sind die ersten Hengste bereits bei der ersten Hauptkörung angekommen.

Bei fast allen  Zuchtverbände tauchen jetzt in den Ausschreibungen der Köranmeldungen folgende Sätze auf: (Hier Infos zur Anmeldung zur Vorauswahl/ Westfälisches Pferdestammbuch)

Vergrößerter Auszug:

Pferde, die am 30.6.2021 geboren sind, sind zum Zeitpunkt der Hauptkörung des Westfälischen Pferdestammbuchs Mitte Dezember 2023, fast auf den Tag genau 30 Monate alt. Sie dürften also, nach den Leitlinien des Bundes, jetzt mit zielgerichteter Arbeit angefangen werden zu arbeiten.

Nun werden die Warmblutfohlen in der Regel alle früher geboren als zum Stichtag am 30.6. Was auch Sinn macht, damit sie in der Entwicklung schon weiter sind, als die Spätgeborenen.

Bei der Hannoveraner Hengstkörung der dressurbetonten Hengste im November 2021 waren alle 65 genannten Hengste vor dem 30.6.2019 (= 100%), davon 23 (> 35%) sogar vor dem 1.4.2019 geboren worden. Bei den 19.  Hengsttagen des Deutschen Sportpferdes, bei denen die Vorauswahlen im November und die Hauptkörung im Januar stattfanden, waren von den 50 genannten dressurbetonten Hengsten 49 vor dem 30.6. geboren worden.

Also betrifft diese Regelung vermutlich keinen einzigen Hengst, was soll diese „tierschützerische Scheinformulierung“? Dabei besagen die Leitlinien  Zitat: „Beginn der zielgerichteten Ausbildung“, nicht: Teilnahme an einer Vorauswahl/ Hauptkörung.

Normalerweise müsste es heißen: Zugelassen sind alle Hengste, mit einem Geburtsdatum bis Mitte Januar 2021 oder älter. Völlig absurd wird jetzt jeder sagen, Stimmt.

Aber genau genommen würde es die Umsatzverschiebung um ein Jahr für die Verbände bedeuten – ein einziger Jahrgang, dann wäre der Rhythmus wieder hergestellt. Dann würde der Beweis erbracht werden es ernst zu meinen mit folgender Aussage:

 „Die Hengstvorauswahl fand in diesem Jahr erstmals einen Monat später statt. Dies ist eine Maßnahme beim Versuch, Selektion, Vermarktung und Tierwohl der jungen Hengste in eine Balance zu bringen, und wir werden weitere Maßnahmen ergreifen müssen, wenn wir auch in Zukunft unsere jungen Hengste zweijährig im Herbst auf der Dreiecksbahn, dem Herzstück unserer Körung begrüßen wollen. Das Wohl der jungen Pferde ist uns ein Anliegen.  … .“ Zitat Ulrich Hahne Zuchtleiter Hannoveraner Verband/ Vorwort Programmheft 2021 Körung dressurbetonter Hengste.

„Tierwohl und 2jährig im Herbst auf der Dreiecksbahn“ – geht das heute noch zusammen?

Gesundheit der Pferde

Die Epiphysen (Wachstumsfugen) der Halswirbel sind im vorderen Hals-Wirbelbereich (cranial) bis zum vierten Lebensjahr im hinteren Bereich (caudal) bis zum 5. Lebensjahr noch nachweißbar. Gleiches gilt bei unseren großwüchsigen Warmblütern für die Epiphysen der Sprunggelenke und Knie. Nur, um die röntgologischen nachweisbaren Epiphysen zu nennen. Für die Epiphysen der tragenden Strukturen im restlichen Wirbelsäulenbereich, des Kreuzbeins und des Becken gilt das Gleiche. Vor allem die Größe der Warmblüter macht einen großen Unterschied im Schluss der Epiphysen und damit in der Belastungsfähigkeit des Skeletts.

In den folgenden Röntgenbildern sind die Wachstumsfugen der Knie zu sehen. von zwei identisch gleich alten 3jährigen Wallachen, die beide bis zum Frühjahr noch Hengste waren. Der eine 3jährig zum Röntgenzeitpunkt  mit einem Stockmaß von 1,72 m und der zweite ist Escobar mit einem Stockmaß von 1,68 m. (Das linke Knie von Escobar sieht genauso aus, ich hatte das Bild nur schwächer belichtet, sodass der Vergleich nicht so deutlich gewesen wäre.)

Knie rechts Escobar im Vergleich – identisch gleiches Alter- Stockmaß 1,68 m

Halswirbelsäule

Zwischen den jeweils vorderen Wirbelkörpern und den jeweils nachfolgenden Wirbelkörpern werden die sogenannten Foraminae intervertebrale gebildet. Dies sind Freiräume durch die die jeweiligen Spinalnerven des Rückenmarks hindurchtreten. Die Halswirbel werden durch zwei Arten von Gelenken miteinander verbunden: die echten Facettengelenke, Schiebegelenke mit weiten Gelenkkapseln, die Gleitbewegungen zulassen und die unechten Gelenke (Symphisis intervertebrales) mit Zwischenwirbelscheiben, als Verbindung der Wirbelkörper im Bereich des Rückenmarkkanals.

Zwischen dem 7. Halswirbel und dem erstem Brustwirbel wird die gelenkige Verbindung kleiner. Die nun folgende starre Konstruktion der Brust, mit Brustbein und Rippenbögen wirken gegenüber der beweglichen Halswirbelsäule wie ein Pfeiler. Stark ausgebildete, bzw. forciert kräftige Halsmuskeln wirken über die Länge des Halses wie ein Hebel und erzeugen große Druckkräfte vor allem auf den Hals-Brustübergang im Bereich des 6. und 7. Halswirbels.

Skelett: bewegliche Halswirbelkonstruktion/ starrer Brustkorb

Am oberen Halsrand zieht vom Genick kommend das paarige Genick- Nackenband (Lig. nuchae), welches zu den oberen Dornrändern des 2. – 5. Halswirbel noch haltende Bandstränge abgibt und als Wideristkappe und im Rückenband weiterverläuft. Ausgerechnet zum 6. und 7. Halswirbel gibt es diese Bandunterstützung vom oberen Halsrand kommend in der modernen Pferdezucht nicht mehr. Dazu kommen die Varianten am Unterrand der Wirbelkörper des 6. und 7. Halswirbels die bei unseren Warmblütern unterschiedliche Ansätze des Muskels longus colli aufweisen.

Gerade in diesem Übergang zwischen Hals und Brust (cervicothorakaler Übergang) treten durch die Foramen zwischen den Wirbeln die Spinalnerven heraus, die auf jeder Innenseite der Vordergliedmaßen die großen Nervengeflechte des Plexus brachialis bilden.

An der Hinterhand liegt die größte Solbruchstelle ebenso in der Stabilität des Übergangs letzter Lendenwirbel zum Kreuzbein und die Bandverbindungen der beidseitigen Kreuzdarmbeingelenke (Ileosakralgelenke) mit dem Beckenring. Auch hier bilden die Nerven der Spinalnerven beidseitig jeweils ein komplexes Nervengeflecht den Plexus lumbosacralis.

Richten wir die Pferde zu früh auf, ohne dass die Pferde ausreichend Balance und Kraft entwickeln konnten und ohne dass die Pferde Zeit hatten die zur Tragkraft notwendige Mukulatur auszubilden, leiden Muskeln, Bänder, Gelenke und schließlich das Pferd in einem unfassbaren Ausmaß.

Was geschieht nach der Körung?

Ob gekört, oder nicht gekört. Bei den Hauptkörungen folgen nun zumeist noch die Auktionen, mit Stallwechsel, teilweise Quarantäne, Flug ins Ausland oder was auch immer. Auf jeden Fall ändert sich für die meisten ihr Leben wieder einmal grundlegend. Die nicht gekörten, werden entweder kastriert, oder neuerdings weiter als Hengst gepuscht. Nun kommt der reiterliche Druck dazu. In kürzester Zeit und damit meine ich wieder nur wenige Monate, tauchen diese Pferde bei Kurzveranlagungsprüfungen (3jährig), Sportprüfungen (4 u. 5jährig), Bundeschampionaten (3 u. 4jährig), Weltmeisterschaften der jungen Dressurpferde, Hengstschauen unter dem Reiter auf. Jetzt aber in Minimalzeit auf einem Niveau, der einen nur staunen lässt.

Schlimm ergeht es aber auch den inzwischen unzähligen Pferden, die -weil nicht gut genug- nun kastriert auf den „normalen“ Pferdemarkt – und in den ländlichen Tierarzt-Pferdepraxen –  auftauchen. Mit Röntgen Befunden und wechselnden Lahmheiten, die eindeutig von zu früher Überbelastung zeugen, mit gestressten Pferden, die sich schwer tun vertrauensvoll mit Menschen umzugehen, die nur durchschnittlich (normal) reiten können und die sich einfach nur einen Freund und Partner wünschen. Pferde, die nicht gelernt haben sich in einer Herde auf der Weide, oder in einem Offenstallgefüge korrekt zu verhalten, weil ihre Sozialisierung nicht stattgefunden hat. Wer soll diese Pferde auf Amateurebene wieder normalisieren? Denn zu viel mehr im Sinne sportlicher Nutzung, sind ein Großteil dieser Pferde leider nicht mehr zu gebrauchen.

Die neuen Kurz-Veranlagungsprüfungen

Ein 3 jähriges (!) Pferd unter dem Reiter frei in seinem natürlichen Bewegungsablauf vorzustellen, mit seiner Suche nach Balance und Anlehnung, gelassen und vertrauensvoll in einer fremden Umgebung gehend – das sollte das Ziel der neuen Kurzveranlagungsprüfungen mit integrierten Sattelkörungen für die 3 jährige Hengste sein – so die in der Öffentlichkeit „pro junge Pferde“ angepriesene Idee. Leider hat das wieder einmal nicht funktioniert. Nun müssen sich sogar die 3 jährigen schon wie die „Großen“ unter dem Reiter präsentieren. Das ist schlimmer, als es je ohne diese neue Prüfungsform gewesen war. [Siehe Block 18 – Kurzveranlagungsprüfung Münster/ Handorf]

Leitlinien (BMEL) für die Veranlagungsprüfungen von Hengsten der deutschen Reitpferdezuchten (Siehe auch Block 06: Deutsche Warmblutzucht – ein Paragraphendschungel?)

Seit 1992 gibt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft „Leitlinien zum Umgang und zur Nutzung von Pferden unter Tierschutzgesichtspunkten“ heraus. Diese wurden neu überarbeitet und lösten im Oktober 2020 in der Pferdeszene eine Diskussion auch zum Thema Körungen aus.

Aber es ist nicht der einzige Punkt der in Leitlinien des Bundes für Zündstoff in der Szene gesorgt hat. Der Bund hat klar Stellung bezogen zu der Art von Haltung, Ausbildung und zum Umgang mit Jungpferden und damit vielen Praktiken im Vorfeld und er hat damit in der Durchführung des heutigen Körungssystems eine deutliche Absage erteilt. Obwohl in den „Leitlinien für die Veranlagungsprüfungen von Hengsten“ der Bund bereits 2003 den Umgang mit Jungpferden klar definiert hat. Vieles hat sich über die Jahre hinweg derartig negativ entwickelt, ohne dass die Verbände sich in der Pflicht sahen dem endlich Einhalt zu gebieten. Zu sehr ist die Vermarktung und der wirtschaftliche Umsatz in den Vordergrund getreten.

Alle Verbände bemühen sich jetzt plötzlich ihre Körsysteme umzustricken und dem „Tierwohl“ gerecht zu werden, nur um in der öffentlichen Wahrnehmung als  „Pferdegerecht“ da zu stehen. Getan hat sich nichts.

Bericht in der verbandseigenen Zeitschrift: Reiter & Pferde Westfalen „Bewegte Zeiten“ [6 (Juni 23) S. 46-51]

Auf sechs (!) Din A 4 Seiten berichtet J. Wiedemann über ein Seminar des Westfälischen Landesverbandes zum Thema Leitlinien des BMEL. Dabei wird zwar in dem Artikel der Punkt Leitlinien für die Veranlagungsprüfungen von Hengsten angeführt, allerdings fällt dieser wichtige Punkt leider unter den berühmten Tisch und wird nicht weiter berücksichtigt. Stattdessen wird mehr als ausgiebig die besondere Verantwortung der Pferdebetriebe und Pferdesportvereine für die ihnen anvertrauten Vierbeiner betont. Dazu wird sogar das Tierschutzgesetz in einem eigenen Kasten bemüht und viele Aussagen im Text mit sehr deutlichen Sätzen und Ausrufezeichen verstärkt.

Wo bleibt die Verantwortung der Zuchtverbände, für die Ihnen anvertrauten Hengste im eigenen Prüfungssystem?

Blättert man in der gleichen Ausgabe eine Seite weiter, landet man in dem Bericht über die Kurz-Veranlagungsprüfung der Hengste in Münster/ Handorf  [ „HLP-Hotspot Münster“ S. 52 – 53].

Von dem Artikel, gezeichnet von der FN und A. Gonzáles, müsste man nun eine reflektierte Berichterstattung erwarten können, gerade weil dieses neue Format eine andere Richtung in der Prüfung der Hengste vorgeben sollte. Aber zugegeben ich bin zu naiv. Es ist wie immer – alles war einfach nur großartig.

Sind wir alle eigentlich noch zu retten?

Was wir unseren 2, 3 und 4 jährigen Pferden zumuten, können diese Pferde körperlich nicht aushalten. Betrachtet man aus tierärztlicher Sicht die reiterlichen Vorstellungen der 3 und 4 jährigen Hengste beim Bundeschampionat, so sieht man kaum noch ein Pferd ohne zu weiche Fesselung, ohne Beckenschiefstand, ohne zu-bewegliche Kreuzdarmbeingelenke (ISG), oder ohne eine unnatürliche Beweglichkeit (fehlende Stabilität) im Schultergürtel.

Die Bundeschampionesse 2022 der vierjährigen Dressurpferde war aus meiner tiermedizinischen Sicht nicht in der Lage auch nur eine der drei Grundgangarten im Sinne eines natürlichen Pferde- eigenen Bewegungsablaufs zu absolvieren. Die großrahmige Stute zeigte massive Probleme im Schulter-Aufhängeapparat, im Übergang der Lendenwirbelsäule zum Kreuzbein und in beiden Kreuzdarmbeingelenken. Diese Stute war dazu gezwungen, mit einer  nicht ausgereiften Muskulatur, ihre bewegungsstarken Grundgangarten auf Kosten ihres Bandapparates umzusetzen. Und: Sie war beim Bundeschampionat der Dressurpferde und dressurbetonten Hengste in den letzten Jahren nicht alleine mit ihrem Problem.

Ich habe in den letzten Jahren so viele Hengste in den Vorauswahlen und bei den Hauptkörungen gesehen und selten Hengste auf dem Pflaster ohne Beckenschiefstände und ISG (Kreuzdarmbeingelenk) Probleme finden können.

Die forciert gezüchtete aktive Vorderbeinmechanik, wird bei den Hengsten noch zusätzlich mit dem Hufbeschlag unterstützt. Dazu werden die Trageränder an den Vorderhufen stehen gelassen und die Eisen im Zehenbereich schwerer geschweißt. Die Pferde werden quasi an den Vorderhufen „aufgebockt“.

Nicht alle jungen Hufe halten diese falsche, hohe Belastung der Scherkräfte aus und bilden im Horn vertikale Risse, denen dann mit eingeraspelten Querrillen versucht wird entgegenzuwirken:

Durch diese Art der Hufzubereitung und des Beschlages, wird die Zehe verlängert, ohne dass das auf den ersten Blick deutlich ins Auge fällt.  Dadurch kann das Pferd die Vordergliedmaße nicht so schnell abrollen und wird verzögert. Dadurch wirkt der Trab spektakulärer, als er in dem natürlichen Bewegungsablauf des Pferdes eigentlich wäre. Der Nachteil ist, dass die Pferde diese zeitliche Verzögerung ausgleichen müssen und daher anfangen zu bügeln. Unzählige deutsche Warmblüter, kann man daher bei Pflastermusterungen auf den Vorauswahlen und Körungen und Championaten bügeln sehen, als wären sie rein spanischer Herkunft. [S. Block 17 www.escobar-Hengst.de – Hufbeschlag für die Körung]

Diese Pferde werden damit trainiert – über den Schaden, den diese Praxis an Gelenken, Bändern, Sehnen, Skelett und Muskulatur bei den jungen Pferden anrichtet, braucht man sicher nicht zu philosophieren.

Jeder, der nur ein wenig den Blick auf die natürlichen Bewegungsabläufe eines Pferdes geschult hat, muss das sehen. Können unsere Richter und Bewertungs-Kommissionen natürliche und unnatürliche Bewegungsabläufe, bzw. gesunde und kranke Pferde nicht mehr voneinander unterscheiden?

Fehlt es hier an veterinärmedizinischer Schulung? Oder wollen sie es nicht sehen.

Warum küren und kören wir solche Pferde?

Was tun wir diesen einzelnen Pferden und unserer gesamten Zucht damit an?

Und was macht Escobar? (Klick hier)